„Die Sicherheit Deutschlands wird am Donbass verteidigt.“
Fiktionale/r Verteidigungsminister:in einer nachfolgenden rot-grünen Regierung
Denken Sie kurz über diesen Satz nach. War er Ihnen schon im Original auffällig? Kam er Ihnen damals schon als Lüge vor? Wahrscheinlich werden wir diesen Satz nicht hören, weil alle schon längst verstanden haben, was er bedeutet.
Wenn es war ist, dass die Wahrheit im Krieg als erste stirbt, so stimmt es auch, dass vor dem Krieg die Sprache zuerst sterben muss, damit man in ihrem Namen Lügen begehen kann. Und ihren Tod kann man sicher in den Gesprächen finden, die zwischen Befürwortern und Gegnern einer alternativen globalen, europäischen Sicherheitspolitik geführt wurden. Wahrscheinlich stehen sich diese Gesprächspartner nun sehr sprachlos gegenüber.
So sprachlos habe ich mich seit dem 25. Februar gefühlt, eine linke Positionem zum Angriff auf die Ukraine zu finden. Was sollte man sagen angesichts des bundesweiten Zuspruchs für mehr Rüstung, mehr Waffen für die ukrainische Armee, mehr Sanktionen und Isolation für Russland. Die Zustimmung für diese Politik weht durch alle Parteien – auch die Linken – mit der Setenz: „Jetzt“ müsse sich doch etwas ändern. Wenn keine Distanz, keine analytische Reaktion auf Weltereignisse zu finden ist, meint man immer gleich „Jetzt erst recht“, die eigenen Interessen durchrücken zu müssen, sobald es als möglich erscheint. Lange Jahre war es so oppoturn, den Verteidigungshaushalt möglichst bescheiden erhöhen zu lassen. Mich macht es sprachlos, dass eine Entscheidung, mehr Euro als je zuvor in die deutsche Armee zu investieren, im Bundestag mit frenetischem Applaus begleitet wird. Als hätte unser Finanzminister gesagt „Ab heute kenne ich keine Parteien mehr, ab heute kenne ich nur noch Deutsche.“ Mehr als 100 Jahre nach der Bewilligung der deutschen Kriegskredite haben wir ihn wieder, einen Abklatsch der Burgfriedenspolitik. Linder sprach „Friedrich Merz, wir werden nicht danach fragen, wer die Verantwortung für den Zustand der Bundeswehr hat.“ Aber wofür wählen wir dann noch? Wofür gab und gibt es Regierungen, als dass man sie für ihre Taten verantwortlich macht. Mit dem Burgfrieden verstummt das demokratische Gespräch.
Wie sollte man reden, wenn die einzige gegenteilige Antwort auf ein solches Ereignis aus der kleinsten Fraktionen des Bundestages kommt, die nicht nur zerstritten ist, sondern auch kaum beachtet wird, außerhalb ihres Streits? Wie kann man von Frieden reden, wenn es wenig mehr Gesprächsthemen gibt, wie sich eine Armee verteidigt? Wie wir uns verteidigen? Wenn es kaum Positionen dagegen noch Distanz dazu gibt? Wenn die Mehrheit der Gesprächspartner für eine Lösung des Konflikts aus dem Reiche autoritärer Politik kommen? Aus Großbritannien, aus Frankreich, aus der Türkei?
Wie soll man Antworten finden auf diese Katastrophe unserer Zeit? Wenn Vertreter:innen linker Politik von Moderatoren öffentlich-rechtlicher Sendungen drängend gefragt werden: „Wie sollen sich die Ukrainer:innen verteidigen?“
Ja, wie sollen sich die Ukrainer:innen verteidigen? Wir fragen nicht: Was sollen Ukrainer:innen tun? Haben wir vor 20 Jahren auch gefragt: „Wie soll sich die Bevölkerung Afghanistans verteidigen?“
Wo war so ein Drängen nach Solidarität mit der Bevölkerung des Jemens, die unter dem Krieg ihres Landes leiden? Wo waren da unsere Flaggen? Da blieb nur unsere Ignoranz
Unser Schock über das Heute, war allgemein, die vernommene „Zeitenwende“ ist politisch. Sie ist politisch, weil sie Waffen in Kriegsgebiete schicken will. Sie ist politisch, weil kaum ein Medium oder Journalist nach der Rolle des Westens, der NATO in diesem Konflikt fragt, oder darüber aufklärt. Sie ist politisch, weil die Not eines „europäischen“ Landes dazu missbraucht wird, Deutschland wieder in den Rang einer Militärmacht zurückzuführen. Weil sie die Geschlossenheit des mächtigsten Militärbündnisses herstellen soll, statt sie zu hinterfragen. Weil sie die Isolation eines der größten Länder und Nuklearmacht dieser Welt befördern soll.
Wir haben weißgott die falschesten Rezepte für die Lösung dieses Konfliktes gewählt. Wieviel Leid soll über diese Menschheit kommen, bis diese in blinder Wut oder lähmendem Schmerz zu einem Dialog zu sich selbst zurückkommt?